Teil 1
Von Träumen und Realitäten
Sich ein Motorrad in Vietnam zu kaufen und damit vier Wochen durch das Land zu fahren, ist der Traum jedes Backpackers. Vielleicht wusstest du ja noch nicht, dass es dein Traum ist. Vielleicht wird dir auch gerade erst bewusst, dass du das schon immer machen wolltest. Möglicherweise wird es dir auch erst noch einfallen.
Ganz egal, in welchem Stadium du dich gerade befindest – es gibt keinen besseren Weg, dieses traumhafte Land mit all seinen Facetten zu erkunden als auf dem Motorrad. Vom chaotischen Stadtverkehr in Saigon und Hanoi über endlose Küstenstraßen entlang des Südchinesischen Meeres und vom Ho Chi Minh Trail bis hin zu den Serpentinen im Zentralgebirge Vietnams: hinter jeder Kurve wartet eine noch grandiosere Aussicht. Dieser Trip gehört ohne Übertreibung zu den spektakulärsten und verrücktesten Abenteuern, die ich jemals erlebt habe.
Der normale Tourist fährt in der Regel mit dem Bus von Stadt zu Stadt. Das ist natürlich eine relativ günstige und verhältnismäßig sichere Methode. Wobei ich letzteres doch auch bezweifle, denn die Busfahrer fahren oft wie die Berserker. Die Berliner kennen das ja. Aber Vietnam ist verdammt lang. Um genau zu sein: 3400 Kilometer entlang der Küstenlinie. Und da es nur eine einzige Autobahn gibt, die von Nord nach Süd verläuft, findet der Hauptverkehr hier statt. Dementsprechend kann man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auch meist nur die Städte anfahren, die entlang des Highway 1 liegen. Das ist erstmal nicht so schlimm, denn auch hier gibt es sehr schöne Städte – unter anderem Hoi An, Da Nang oder Ninh Binh. Der Nachteil aber ist, dass man sich in diesem Fall auch immer zwischen unzähligen anderen Touristen wiederfinden wird.
Bewegt man sich aber abseits der ausgetretenen Pfade und vor allem abseits der Hauptverkehrswege, erlebt man sehr schnell ein völlig anderes Vietnam. Urwüchsige und unwirkliche Landschaften, Orte, in denen die Zeit stillzustehen scheint, das Leben außerhalb des sprichwörtlichen Glashauses. Diese Dinge sieht niemand, der sich in einen Nachtbus setzt und sich von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit karren lässt.
Reisen bildet nicht, es formt.
Während keinem dieser Tage, in denen du Kilometer für Kilometer mit dem Motorrad durch Vietnam fährst, leidest, feierst, kämpfst, lachst, in denen du jedes Sandkorn und jeden Tropfen Schweiß auf der Haut spürst, du dich zurücklehnst und vom Fahrtwind kühlen lässt – während keiner Sekunde wirst du dir auch nur einen Gedanken darüber machen, wie unbequem die Sitzbank ist. Und das ist sie nach 200 Kilometern, glaub mir. Was ich damit sagen will, ist: Es ist unvergleichlich großartig, mit dem Motorrad Vietnam zu erkunden.
Du wirst völlig andere Menschen kennenlernen, sowohl auf vietnamesischer als auch auf touristischer Seite. In jeder Hinsicht.
Allein schon aufgrund der Möglichkeit, sich in ein Nga Nghi (Guesthouse) etwas außerhalb der touristischen Ortskerne einmieten zu können, weil – man hat ja ein Motorrad! Zudem sind die Zimmerpreise außerhalb der Touristenzentren ohnehin meist billiger und weniger ausgebucht. Unter anderem haben wir während der Chinesischen Neujahrstage in Da Lat, der Stadt der Liebenden, dem kleinen Paris Vietnams, ungelogen drei Stunden nach einem Zimmer gesucht. Wenn ich die gesamte Strecke, die wir an dem Abend in der Stadt herumgefahren sind, zu Fuß hätte laufen müssen, wäre ich heute noch unterwegs. Zumal die Stadt am Berg liegt. Am Ende landeten wir am äußersten Stadtrand.
Und genau das war, wie sich herausstellte, eine der besten Zufälle der Reise. Denn dort lernten wir Boris und Isa kennen – zwei charmant-durchgeknallte Weltenbummler, mit denen wir uns auf Anhieb gut verstanden. Von diesem Moment an fuhren wir gemeinsam mit dem Motorrad durch Vietnam. Und das war einfach, denn – haha, Überraschung – sie hatten ebenfalls ein Motorrad.
Boris hatte sich in Saigon eine wunderschöne Honda Win angelacht, ein echtes japanisches Modell mit verchromten Schutzblechen und Zierleisten und allem Brimborium. Dagegen sah meine schwarze Witwe, die mit ziemlicher Sicherheit entweder in den Minen von Moria oder einem chinesischen Strafgefangenenlager gebaut wurde, ziemlich alt aus. War sie auch. Und sie war schmutzig. Hell yeah. Und wie sich das für eine kettenrauchende Stahlarbeiterin gehört, buckelte sie, als gäbe es kein Morgen.
110 Kubik, die dich im Vierertakt keifend, aber anstandslos voranbringen.
Naja, beinahe anstandslos zumindest. Denn eines solltest du beachten:
Reparaturen werden immer anfallen.
Es ist völlig egal, in welchem Zustand du dein Motorrad in Vietnam kaufst. Du wirst früher oder später eine Werkstatt ansteuern müssen. Die Frage ist nur, ob du das zu Fuß machst oder auf dem Motorrad, ob es nur ein Ölwechsel wird oder die Maschine komplett Schrott ist. Leider kann man das vorher nie hundertprozentig wissen, denn in der Regel weiß auch der Vorbesitzer nicht, wie viele Hände schon an der Kiste rumgehurt haben.
Das Einzige, das du tun kannst, ist das Risiko zu minimieren.
Wie das geht und worauf du bei einem Motorradkauf in Vietnam achten musst, werde ich demnächst im zweiten Teil der BORN TO BE CHILD-Artikelserie erklären.
Bis dahin gibt es ein paar leckere Bilder.
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